Rückblick

27 Storeys – Alterlaa Forever: Siedlung bleibt Siedlung

Nähert man sich Wien vom Süden her, sind sie nicht zu übersehen: die Wohnblöcke von Alterlaa. Dort leben knapp 9.000 Menschen aus allen Alters- und sozialen Schichten. Regisseurin Bianca Gleissinger war in ihrer Jugend eine von ihnen. In ihrem Debüt-Dokumentarfilm zeigt sie ihr einstiges Zuhause als „buntes Biotop unterschiedlicher Interessen, Lebensentwürfe und Träume“. Dabei reflektiert sie auch ihre eigenen Wurzeln und geht der Frage nach, wie zeitgemäß die Ideen der einst „modernsten Anlage Österreichs“ heute noch sind.

„Alterlaa war der Endpunkt dieser Art von Großbausiedlungen, da sich ab Mitte der 1970er Jahre die Bedürfnisse der Menschen nach Wohnverhältnissen verändert hatten“, sagte Stefan Staehle von der der Frankfurter UAS. Seiner Kollegin Natalie Heger zufolge sei ein Wohnen mit Unterhaltungs- und Konsumangeboten dieser Art heute wieder aktuell. Es dränge die dort lebenden Menschen heute nicht mehr, etwa an Wochenenden wegzufahren, weil alles vor Ort vorhanden sei. Dennoch hätten junge Menschen, die dorthin ziehen oft diametrale Interessen zu denen der „vielen Alten, die versuchen, die alte Zeit zu erhalten“.

Laut Heike Bülter, langjährig in Hattersheim als Quartiersmanagerin tätig, war der Ort nie ein sozialer Brennpunkt. Die Stadtplanung sei eher präventiv gewesen, da zahlreiche Menschen mit Migrationshintergrund und Hoffnung auf sozialen Aufstieg hier angesiedelt wurden. Transparenz für die Anwohner sei u.a. mit Urban Gardening und Kommunikation untereinander wichtig gewesen. Allerdings habe sich die Öffentliche Hand aus Projekten dieser Art zurückgezogen, da der neue Ansatz laute: Small in beautiful, meinte Heger. Sie sei sich aber sicher, dass man junge Menschen finde, die das Leben dort auch neugestalten würden.

Sozialer Wohnungsbau produziere immer noch eine Stigmatisierung mit einem Bild von Unbehagen, so Staehle. Denn die Hoffnungen und Wünsche der ersten Besetzungen seien enttäuscht worden. Man fühle sich zurückgelassen, weil diejenigen die wegziehen, angeblich sozial aufsteigen.

In Alterlaa leben heute gemischte Mieter: Banker, Angestellte, Arbeiter. In Deutschland müssten freizeitlich-soziale Angebote wie im Wiener Stadtteil an die Einwohner gemacht werden, um das Vorurteil zu vermeiden, es seien eigentlich alles Proleten, die in einer Siedlung lebten.

Bild:
Filmgespräch mit Heike Bülter (2.r.), ehemalige Quartiersmanagerin und Leiterin des Stadtteilbüros Hattersheim, Dr. Stefan Staehle und Prof. Dr. Natalie Heger, Forschungslabor Nachkriegsmoderne, Frankfurt University of Applied Sciences, und naxos-Moderatorin Christina Budde.

(rh)

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