Rückblick

Stolz und Eigensinn: DDR-Frauen – unabhängig durch Arbeit

„Die Frau kann ihre Arbeit machen wie ein Mann, man muss sie nur lassen“, heißt es einmal im Film. Deutschland unmittelbar nach der Wende: Die zweite große Entlassungswelle hat den Osten erreicht. Frauen aus den ehemaligen Industrie-Großbetrieben der DDR erzählen mit heute überraschender Selbstverständlichkeit über sich und die persönlich erlangte Unabhängigkeit durch ihre Arbeit. Selbstbewusst teilen sie ihr Erstaunen darüber, dass plötzlich nur noch Männer ihre Arbeiten machen sollen.

Auf alten U-matic-Bändern aus den Beständen des ehemaligen Leipziger Piratensenders KANAL X von Norbert Meissner sind die Interviews erhalten. Über 30 Jahre später hat Regisseur Gerd Kroske diesen filmischen Schatz aus dem Archiv geborgen und die Arbeiterinnen von damals wiedergefunden. Jetzt wird das alte Material im Split-Screen von den Frauen neu kommentiert und hinterfragt. Der Film portraitiert Frauen, die sich ihren Stolz und Eigensinn bis heute bewahrt haben.

Laut Jessica Bock, Historikerin am Digitalen Deutschen Frauenarchiv, Berlin, hatten Frauen und Männer zu DDR-Zeiten in etwa den gleichen Lohn erhalten. Aber der Frauenreport 1990 zeige die dramatischen Verluste der sog. Wende: Die Massenentlassungen hätten insbesondere Frauen aus dem Osten betroffen, so Kroske. Die seien mit 64 Prozent am stärksten von der Arbeitslosigkeit betroffen gewesen, ergänzte Bock: „Frauen ab 50 hatten keine Chance mehr auf Wiederbeschäftigung“.

Videokünstler Meissner zufolge waren die ersten Massenentlassungen 1990 „eine Schocktherapie mit Aufhebungsverträgen ohne Abfindungen, keinerlei Wertschätzung und ohne Unterstützung der Gewerkschaften im Westen“. Dieser Systemkampf ging weit über den Mauerfall hinaus, das sozialistische Emanzipationsverständnis hielt weiter an, denn das Wertesystem hatte sich in der DDR und auch später an einem festen Arbeitsplatz orientiert, so Bock.

Und dies, obwohl Frauen eine Doppelbelastung zu stemmen hatten: 3-Schichten plus Haushalt zu 90 Prozent. In der Konsequenz bekamen sie weniger Kinder, was letztlich bis heute zu einem deutlichen Bevölkerungsrückgang geführt habe. Die jahrzehntelange Trennung von Ost und West habe noch heute ihre Spuren bei Frauen sowohl im Osten als auch im Westen hinterlassen.

Bild v.l.n.r.: Videokünstler und Protagonist Norbert Meissner, Regisseur Gerd Kroske, Dr. Jessica Bock, Historikerin, Digitales Deutsches Frauenarchiv, und naxos-Moderatorin Hadwiga Fertsch-Röver.

(rh)

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