Rückblick

Anselm – Das Rauschen der Zeit: Ein Exilierter

Der deutsche Künstler Anselm Kiefer lebt seit langem in Frankreich – wohl auch, weil er in seiner Heimat oft angegriffen wurde: vor allem wegen der komplexen, ambivalenten Art und Weise, mit der er sich in seinen Gemälden und Skulpturen mit einer traumatischen deutschen Vergangenheit auseinandersetzt.

„Schwieriges Thema, von den Bildern beeindruckt, schwer verständliche Sprache“, so die spontane Reaktion der Gäste. „Kiefer spricht verhalten, deshalb sind Ton und Technik nicht austariert, was im Kino eigentlich nicht darstellbar ist“, erläuterte Regine Prange, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Kunstgeschichte, Kunst- und Medientheorie, Kunstgeschichtliches
Institut Goethe-Universität, Frankfurt. Hinter der Mischung aus aktuellen und Archivaufnahmen stehe Wenders Absicht, „eine ästhetische Wahrnehmung fühlbar zu machen“.

Riesige Werkstätten mit Kränen und überwältigendem Aufwand sollten eine Art Mythomanie aufzeigen. Denn Kiefers Thema sei der Nationalsozialismus. Er wolle nicht provozieren, sondern darstellen. Deshalb sei er in Deutschland nie gut angekommen und nach Frankreich ausgewandert. „Insofern ist er ein Exilierter, den Wenders versucht, mit der Dokumentation zu verteidigen“, meinte Prange.

Etwa mit Hitlergruß wolle Kiefer als Künstler vor seinen Bildern und Skulpturen „das Geschehene darstellen und spiele somit emotional Krieg“. Dabei handele es sich bei seinen Anklagen lediglich um Trauerarbeit. Die ständige Wiederholung von Kriegsgegenwart sähen heutige Betrachter eher mit Gewöhnung an die Zerstörung. Dennoch bezeichnete Marianne Spohner die Dokumentation als „klassischen Kunstfilm“, denn Kiefer setze seine Bilder den Elementen aus. Das Motiv des katastrophischen Nullpunkts sei relativ abstrakt. Daher sei Kiefer für Wenders eine „person reflexive“.

Bild: Filmgespräch mit Prof. Dr. Regine Prange, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Kunstgeschichte, Kunst- und Medientheorie, Kunstgeschichtliches
Institut Goethe-Universität Frankfurt (l.), und naxos-Moderatorin Marianne Spohner.

(rh)

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