Rückblick
2.9.2025: GOOGOOSH MADE OF FIRE – Blick durch die kulturelle Brille oder: Blutspur der Marionettensysteme

+ GOOGOOSH TV-Ausstrahlung (ARTE) am Freitag, 3. Oktober um 22:35 Uhr
+ Verfügbar ab dem 15/09/2025 ARTE-MEDIATHEK
+ Wikipedia-Eintrag: Niloufar Taghizadeh
+ Die Regisseurin Niloufar Taghizadeh im Interview mit SPILLOVER Podcasts 37
+ SWR Kultur 20.10.2024: Stimme der Frauen – Niloufar Taghizadeh über die Pop-Ikone Googoosh
I. Die erste und wichtigste Lesart dieses Film ist sicher: die ungeheure Wirkmächtigkeit von Googoosh Liedern (und Filmen) über die Generationen hinweg, was nur zu einem Teil durch gemeinsame Verlust- und Exil-Erfahrungen zu erklären ist.
So kommt bei einem Filmgespräch immer die persönliche Beziehungsaufnahme dazu: Wie die Filmemacherin Niloufar Taghizadeh durch Lieder und Filme geprägt wurde und in welcher persönlichen Intensität die Zusammenarbeit stattfinden konnte: Arbeitsbeziehung, historische Bedeutung, Freundschaft?
Das Ergebnis war eine Zusammenarbeit von äußerster Professionalität und die Möglichkeit, Zerbechlichkeit, Konvention von Person und Zeitgeschichte zusammen zu zeigen.
Meines Erachtens liegt eine Quelle der großartigen Wirkmächtigkeit Googooshs auch darin: dass traditionelle Musik und Moderne in einer kritischen Masse verschmelzen sollten und konnten (- so wie beim Jazz Sklaverei und Christentum aufeinanderprallten -) so ist möglicherweise bei Googoosh die quasi natürlich gewachsene Nähe zur Macht als Problem unbeantwortet geblieben, weil so viele neue, moderne Ausdrucksformen aufgeschlossen wurden.
II. „der Mensch trägt eine Kraft in sich…“
Googoosh wirkt aber auch sehr fremdbestimmt wird vom Kinderstar zum Markenprodukt und „Das Patriarchat war immer sehr präsent in meinem Leben.“
Hier scheint der Stoß ins Exil ein wichter Schritt zu sein, von der Ausgenutzten zur Widerständigen und mehr selbstbestimmten Persönlichkeit zu kommen. Das Private wird Politisch.
III. Die ausgezeichnete Quellenlage – aber auch Überfülle – muss erwähnt werden, damit natürlich auch Auswahl, Schnitt und Konposition (aber Catharina Kleber war nicht mit dabei).
IV. Kommen wir zur Lesart dieses Zeitstroms der Gewalt:
„keine Verhandlung mit dem Regime. Der Preis ist die Erniedrigung von Menschen – nirgends wird dies KUNST genannt!“
Wird dagegen das Schahregime zu milde betrachtet – Googooshs frühe Prägung?
V. Hier schiebt sich natürlich die deutsche Lesart in den Vordergrund: die Anti-Schah-Demonstrationen, der Tod Benno Ohnesorgs und der Strom der 68er-Bewegung.
VI. Insgesamt kommt der Zeitstrom von AJAX (Putsch gegen Mossadegh) bis zur Konferenz von Guadeloupe (Absetzung Schah) ins Bewußtsein.
Jürgen Matschukat 2003 in DIE ZEIT:
„Die Amerikaner hatten im Nahen Osten das Heft in die Hand genommen… Im Iran errichteten sie das Paradebeispiel eines korrupten u. brutalen Marionettenregimes. Gefüttert mit hoher Militär- u. Wirtschaftshilfe … und einem rücksichtslosen Geheimdienst SAWAK, machten sie den Schah für die nächsten 25 Jahre zur starken Figur im Land – und zu einem der verhasstesten Diktatoren in der islamischen Welt.“
Konferenz von Guadeloupe Jan. 1979: (USA) Jimmy Carter, (FR) V. Giscard d’ Estaing, (GB) James Callahan, (BRD) Helmut Schmidt: „Der Schah wird nicht mehr unterstützt“ → 1. Febr. 1979 Chomenis Ankunft in Teheran.
Einer der vielen gescheiterten Versuche von Einmischung und Regime-Change.
Hat „Die Säule der Unvernunft hat einen Riss bekommen…“?
VII. So soll bei diesem eher deutschen Blickpunkt die Sicht der Ostdeutschen auf den Film nicht unerwähnt bleiben: die Entscheidung „Gehen oder Bleiben“, die Isoliertheit und die Formen des heimlichen Widerstands – und der mögliche Entwurf:
– „Eine Befreiung nur durch die eigenen Kinder“?
Ein symbolischer Fingerzeig könnte da der TV-Ausstrahlungstermin sein:
“Googoosh…” bei ARTE am 3. Oktober um 22:35 Uhr.
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Text + Kollage (c) W. Voss