Sara Mardini, eine junge syrische Profischwimmerin, hilft, zusammen mit ihrer Schwester Yusra – auf ihrer Flucht über das Mittelmeer bei der Rettung von 18 Menschen und wird so zur gefeierten Heldin.
Doch ihre humanitäre Arbeit bringt sie in das Fadenkreuz politischer Agenden und führt schließlich zu ihrer Verhaftung. Während ihre Schwester bei den Olympischen Spielen schwimmt, wartet Sara auf ihren Prozess – ihr drohen 20 Jahre Haft.
An ihrem Schicksal zeigt sich die Spaltung der Beteiligten:
– Der Flüchtlinge auf Lesbos
– Der Helfer der NGOs einerseits, der Sicherheitskräfte andererseits
– Der Medien
– Der Gesellschaft
– Der Politik
Für die einen sind die beiden Heldinnen, für die anderen kriminelle Fluchthelferinnen.
Die anschließende Gesprächsrunde aus der Juristin Margit Becker-Köberer, aktives Mitglied von Amnesty International Deutschland im Bereich Asyl, dem Co-Vorsitzenden und Mitbegründer von Europe Cares, Lennard Everwien, sowie Gerald Knaus, dem Gründungsmitglied des European Council on Foreign Relations und Experten für Flucht, Migration und Menschenrechte, sowie Carola Benninghoven als Moderatorin für das naxos.Kino, diskutierte den Film engagiert aus den verschiedenen Perspektiven der Podiums-TeilnehmerInnen.
So wurden die juristischen, die humanitären und die politischen Aspekte des Schicksals der beiden Protagonistinnen beleuchtet.
Schnell wurde deutlich, dass das Publikum den Film – bei aller Empathie für die Schwestern – als repräsentativ für die Migrationsproblematik im Mittelmeer-raum betrachtete und so wurden bald die unterschiedlichsten Aspekte der Thematik nachgefragt bzw. beschrieben.
Einigkeit herrschte bei der humanitären Bewertung der Flüchtlingsfrage. Bei der juristischen Betrachtung wurde leider klar, dass die unterschiedlichen Rechtssysteme und Rechtsauffassungen der Anrainerstaaten, der Länder mit Außengrenzen wie u.a. Spanien, Italien, Griechenland und Polen keineswegs deckungsgleich sind mit denen der EU: die je nationale Exekutive unterliegt nur formal dem übergeordneten EU-Recht, die Umsetzung des EU-Rechtes hingegen ist praktisch unkontrollierbar. Nur so lassen sich die illegalen Push-backs einordnen, denn sie verstoßen klar gegen EU-Recht, haben aber praktisch keine Konsequenzen. Die viel kritisierte Frontex hat vielfach nur Beobachter-funktion und darf nicht intervenieren. In der Praxis ist Frontex oft unerwünscht, wird sogar von der Grenze ferngehalten, um Zeugenschaft für den illegalen bzw. gewalttätigen Umgang mit Geflüchteten zu verhindern, so z.B. an der polnisch-belarussischen Grenze.
Hinzu kommt der Bericht des Vertreters von Europe Cares über die Kriminalisierung von Flüchtlingshelfern, die sich strafbar machen, wenn sie Bootsflüchtlinge aus dem Wasser ziehen und ihnen humanitäre Hilfe zukommen lassen. Das wird beispielsweise in Griechenland als Beihilfe zur illegalen Migration, schlimmstenfalls als Schleusung von Flüchtlingen gesehen. Helfer:innen wie Sara Mardini warten auf ihren Prozess, gleichzeitig verweigert man ihnen die Einreise nach Griechenland und damit das Recht, sich zu verteidigen
Offenkundige Rechtsbrüche und die wachsende Erosion von Demokratie und Rechtsstaaten, die gleichzeitig Mitglied in der EU sind, zu beobachten in Ungarn und Polen, sind zunehmend besorgniserregend.
Kontrovers wurde es bei der Diskussion über Ursachen der irregulären Migration und bei deren Bewältigungsstrategien. Einigkeit herrschte darüber, dass es keine einfachen, sauberen Lösungen geben kann, da weder die sicheren noch die unsicheren Herkunftsländer vertrauenswürdige Rechtssysteme aufweisen – mit dem Resultat, dass Rückführungen und Abschiebungen nach EU-Recht quasi nicht möglich sind. Gerald Knaus nannte Assad, Maduro und Putin die größten Verursacher von Fluchtbewegungen.
Politisch wurde die Diskussion, als die polemischen Äußerungen rechts-populistischer Parteien und Gruppierungen zur Sprache kamen, die im krassen Widerspruch zu den realen statistischen Flüchtlingszahlen stehen und eine Drohkulisse an Stellen aufbauen, an denen nur Differenzierung Klarheit schafft, denn die größte Anzahl der Geflüchteten in Deutschland, nämlich rund 1 Mill., sind Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.
Schnell wurde klar, dass es nur eine Waffe gegen Rechtspopulisten gibt: Widerstand leisten auf Basis sauberer Argumente und klarer Faktenkenntnis!
Das Gleiche gilt für die angebliche Bedrohung durch Klimaflüchtlinge in den kommenden Jahren. Auch hier wird darauf verwiesen, dass es eher darum gehen wird, dass Menschen, gefährdet durch Dürren oder Überschwemmungen eher zu Binnenflüchtlingen innerhalb ihrer Länder werden.
Als Resumé: Die selbst für naxos-Verhältnisse außergewöhnlich lange, aber immer hochkonzentrierte Diskussion über die Flüchtlingsthematik und die komplexe Gemengelage von Meinung und Meinungsmache, Schreckens-szenarien, von instrumentalisierten als auch ernstzunehmenden Ängsten, hat wichtige Klärungsprozesse in Gang gesetzt, die Dinge sortiert und auf sachliche Füße gestellt.
Genau das hat die Buchhandlung ‚Land in Sicht’ und ihrem perfekt sortierten Büchertisch zum Abschluss der Diskussion bestens unterstützt.
naxos.Kino