Im Publikumsgespräch mit der Regisseurin Susanne Radelhof dominierte die Verwunderung darüber, wie wenig präsent das Wissen über die KünstlerInnen am Bauhaus und ihre Geschichte in der (selbst bauhaus-interessierten) Öffentlichkeit ist.
Walter Gropius wollte mit seinem Gründungsmanifest 1919 nicht nur radikal neues Design erschaffen, sondern auch den Aufbau einer offenen, modernen Gesellschaft ganz im Geiste der Weimarer Republik erproben, mit dem Versprechen auf echte Gleichberechtigung der Geschlechter – kaum mehr als ein Lippenbekenntnis. Denn die Bauhaus-Meister waren den alten Rollenbildern verhaftet und nur vereinzelt in der Lage, über ihren männlichen Schatten zu springen. Von Paul Klees „Genie ist immer männlich“ bis Johannes Ittens Diktum, Frauen fehle die Fähigkeit, dreidimensional zu denken, weswegen sie nur für das Arbeiten in der Fläche geeignet seien, war im Bauhaus-Alltag alles an überkommenen Stereotypen dabei. Die Frauen wurden also in die Weberei geschickt, die Holzbildhauerei, die Metallwerkstatt, erst recht die Architektur blieb ihnen bis auf wenige Ausnahmen verschlossen.
Selbst als die Designerin Marianne Brandt mit ihrer ikonischen Teekanne, Alma Buscher mit ihren Entwürfen für Kinderzimmer und Holzspielzeug oder das künstlerische Multitalent Friedl Dicker ganz entschieden zum wirtschaftlichen Erfolg des Bauhauses beitrugen, gab es keine Gleichstellung. Im Gegenteil, Walter Gropius fürchtete um den Ruf des Bauhauses und seine Abwertung zur Frauenschule.
Bitteres Fazit: Auch 100 Jahre später verschwinden die Künstlerinnen am Bauhaus immer noch im Schatten der männlichen Helden und eine ernsthafte Neubewertung ihrer Bedeutung für das Bauhaus steht bis heute aus.
Susanne Radelhof berichtete über ihre Recherchen am Bauhaus-Archiv in Berlin und das Glück, noch einigen ZeitzeugInnen begegnen zu können – nachdem sie mit ihrem Vorhaben bei der ARD zunächst auf taube Ohren gestoßen war. Erst im Zusammenhang mit dem Bauhaus-Gründungsjubiläum 2019 konnte sie ihre schon lang gehegten Filmpläne verwirklichen.
Im Rahmen der Diskussion mit dem Publikum berichtete die ehemalige Frauenbeauftragte von Dreieich, Karin Siegmann, von den Bemühungen, die Erinnerung an die durch ihr Spielzeug bekannt gewordenen Alma Siedhoff-Buscher an ihrem Alterssitz und Sterbeort Buchschlag wiederzubeleben. Aufmerksam geworden durch den Film von Susanne Radelhof hat das „Team Alma“ gemeinsam mit Sonja Arnold und Ingrid Kiunke das Leben, das Werk und den tragischen Tod von Alma Siedhoff-Buscher in Buchschlag aufgearbeitet, eine vielbeachtete Ausstellung kuratiert und es geschafft, trotz einiger Widerstände den Bahnhofsvorplatz nach Alma Buscher zu benennen.
Weitere Informationen über das Projekt:
https://www.dreieich.de/rathaus-service/presse-medien/pressemitteilungen/frauenbuero-schwerpunktthema-alma-siedhoff-buscher-im-juni/
https://www.stadtpost.de/stadtpost-dreieich/ins-verdiente-rampenlicht-id101064.html
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