Der Film der Regisseurin Susanne Regina Meures folgt über vier Jahre lang der jungen Influencerin Leonie („Leoobalys“), ihren Eltern, die bald ihre Karriere managen, und ihrem größten Fan Melanie. Dabei entsteht nicht nur ein sehr nahes Porträt der Menschen, sondern auch eine genaue Betrachtung der Social Media.
Die Diskussion setzte an mit einem Hinweis auf ein Zitat über das gerade 100-Jahre-alte Medium Rundfunk: Bertolt Brecht hat in den 1930er-Jahren ein utopisches demokratisches Potenzial darin gesehen, wenn alle Menschen das Radio nicht nur zum Empfangen, sondern auch zum Senden benutzen könnten. Mit Instagram, YouTube, TikTok usw. existieren nun solche Medien, und der Film zeigt, wie sie nun tatsächlich benutzt werden: Leo wird zum Star, hat über eine Million Follower und betreibt dabei Werbung, und ist – wie manche Kritiker es sehen – gefangen im neoliberalen Hamsterrad und dem Zwang, ständig Inhalte zu liefern.
Zum Gespräch begrüßte Stephen Lowry die Medienwissenschaftlerin Dr. Jana Zündel (Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Goethe-Universität), die aktuell zu Memes und Neuen/Sozialen Medien forscht. Mit ihr war auch eine sachkundige Stimme der jüngeren Generation vertreten, die die kritischen und nachdenklichen Fragen und Statements der großen Runde pointiert aufnahm.
Frau Zündel betonte, dass der Film drei Filme in einem Film enthalte: 1. Die Märchenerzählung mit dem Handy („einem schwarzen Spiegel“) als Medium der Selbstbespiegelung; 2. die Binnengeschichte der ungleichen Beziehung von Melanie und Leonie; sowie 3. die extreme Kommerzialisierung des Lebens eines Teenagers (und seiner Eltern) infolge der vielen Werbeposts. Dass letztere nicht nur zum Kauf anregen, sondern auch negative Reaktionen provozieren, führt der Film mit einer kleinen Auswahl von Hate Speech-Videos vor. Das sei die Kehrseite der starken Wirkung auf die Fans, die in mehreren Szenen gezeigt wurde. Für die Fans sei Leo ein Idol, Idealbild („Wer würde nicht so ein perfektes Leben haben wollen?“ fragte Melanie). Der Film verdeutliche aber auch, wie viel Arbeit und Mühe darin steckt, dieses vermeintlich authentische Bild zu kreieren. Im Gespräch wird deutlich, dass der Film filmästhetische, soziale und politische, psychologische und pädagogische sowie rechtliche Perspektiven bündelt und reflektiert.
Einige Fragen hätte nur die Regisseurin beantworten können, zum Beispiel die Fragen nach der formalen Gestaltung (Märchen-Rahmen), der Auswahl der Musikbegleitung (z.B. die Choral-Gesänge in einigen Passagen) oder dem ambivalenten Verhältnis von authentischer Präsentation und medialer Inszenierung der Protagonisten. Als sehr gelungen wurde gesehen, wie der Film es schaffte, sehr nah an die Protagonist:innen zu kommen, die sich erstaunlich offen, anscheinend ungefiltert vor der Kamera zeigten. Lowry erwähnte ein Interview mit der Regisseurin, in dem sie berichtet, dass Leonie immer Fußball gespielt und inzwischen ein gutes Abitur abgelegt habe. Es gibt also auch ein Leben jenseits der schwarzen Spiegel (Handys). Heute arbeitet Leonie auch nach ihrem Abi hauptberuflich als Influencerin.
(gr)
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