Zwangsheirat von Kindern in Äthiopien geschieht weiterhin unter dem Deckmantel der Tradition. Nachfragen gelten als revolutionär. Nardos Wude Tesfaw war in ihrem Dorf am eigenen Leib von diesem Schicksal bedroht. Ihre Mutter musste sie im Alter von sieben zu ihrer Tante nach Addis Abeba weggeben, wo sie später ausriss, weil sie nicht singen durfte, und sich mit harten Jobs und Liedern durchschlug.
Inzwischen ist Nardos zweifache Mutter und kann vom Gesang leidlich leben. Aber einen Star, wie man sich ihn hierzulande vorstellt, kann man die hart arbeitende junge Frau nicht nennen. Eher am Rande handelt es sich auch um einen Musikfilm. Er zeigt Nardos‘ Verbindung traditioneller Gesänge mit Jazzelementen. Musik bringe Trost nicht nur für sie selbst, sondern für viele Frauen, die sie dazu ermuntert, sich zu erheben.
Begeistert von der Mischung aus sozialer Situation plus Landschaft, beeindruckt von den Kontrasten in einem Land, das niemals Kolonie war, so erste Reaktionen aus dem Publikum.
Nardos steht repräsentativ für eine Gruppe, die, laut Kim Glück, stets am Rand der Gesellschaft lebte: mit eigener Sprache und einer immer gleichen Melodie der Lieder. Generell sei Äthiopien eine Männergesellschaft, die die Frauen dort in der Regel akzeptieren und annehmen. Gerade in Notsituationen – Hunger, Umwelt, Heiraten – gäben sie sich den Zwängen hin.
Musik und Tanz, was Nardos ausübt, gelten dort in sog. Cultural Restaurants inzwischen als Touristen-Attraktionen en masse. „Kulturpolitik“ spiele eine besondere Rolle im Land mit 110 Millionen Einwohnern. Dahinter stehe jedoch oft nur eine „aufgesetzte Folklore“, die als „Multi-Ethizität“ verkauft werde.
Zu Glücks ersten Kontakten zu Äthiopien kam es zufällig 2014. Seitdem sammelte sie „Kulturmaterial“ und archivierte es. Ihre heutige Beziehung zum Land bezeichnet sie als „eng, weil ewige Freundschaften bestehen“.
Dr. Kim Glück (l.), Ethnologin am Frobenius-Institut für kulturanthropologische Forschung an der Goethe-Uni, und naxos-Moderatorin Ruth Fühner.
(rh)
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