In den frühen 70er Jahren versuchen tausende von Jugendlichen in Westdeutschland in ihren Städten und Gemeinden selbstverwaltete Jugendzentren zu etablieren. Ziel: sich eigene Treffpunkte zur Freizeitgestaltung ohne Kontrolle durch die Elterngeneration zu schaffen. Mit der Einrichtung hunderter selbstverwalteter Jugendzentren kommt es auch in der „Provinz“ zu politisch-kulturellen Aufbrüchen. Die politisierte Jugendkultur der Zeit breitete sich in ländlich-kleinstädtischen wie in suburbanen Räumen aus. „Freie Räume“ geht dieser fast vergessenen Bewegung nach.
„Jugendzentren waren anfangs ein Ort, an dem sich Jugendliche ausleben konnten“, sagte Tobias Frindt. Was zunächst als eine politische Entwicklung wirkte, war bald wieder verschwunden oder hatte sich zu einem Kommunikationszentrum entwickelt, so der Regisseur. Er habe das selbst erlebt: Treffpunkt mit Musik, Konzerten und Lesungen. Dennoch sei diese Entwicklung in Deutschland einzigartig gewesen.
Laut Rainer Kilb blickten die Jugendzentren auf drei Gründungslinien zurück: die Wandervogel-Bewegung sowie die Häuser der offenen Tür, die nach 1945 entstanden, „um Demokratie regional durch Re-Edukation von Jugendlichen zu entwickeln“. Dies scheiterte jedoch an den präsenten US-Militärs, die überwiegend aus männlichen Weißen bestanden und autoritär strukturiert gewesen seien. In der Folge hätten sich beide Linien „zu einer professionellen Bewegung mit einer Selbstverwaltung und Partizipationselementen“ zusammengeschlossen. So habe sich in den 1970ern bis 80ern eine vormalige „Kultur mit Vorbereitung auf die Erwachsenenphase“ in eine Gegenkultur gewandelt.
Weitere Gründe für den Niedergang der Zentren sah Frindt in der Kürzung von Geldern und Verlagerung der Zentren an den Stadtrand, zumindest in seiner Heimatstadt Mannheim. In eigenen Gründungen wie etwa in Frankfurt lehnten darüber hinaus große Teile die Einstellung von Sozialarbeitern ab, was laut Kilb mit internen Schlägereien und Angriffen von außen endete.„Kein Wunder“, so der Erziehungswissenschaftler, „das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Jugendlichen war 75 zu 25 Prozent. Das Mackertum herrschte vor, Mädchen spielten keine Rolle“.
(rh)
Bild: Der Mannheimer Regisseur Tobias Frindt (r.) sowie Rainer Kilb (M.), Erziehungswissenschaftler und emeritierter Professor der Hochschule Mannheim, im Filmgespräch mit Moderation Christina Budde vom naxos.Kino.