Andrej Bockelmanns Film »Vier von tausend Tagen« gab einen historisch mehrfachen Blick auf den Besuch und die Wirkung von John F. Kennedys Besuch in Deutschland im Jahre 1963. Originalmaterial von Kennedy in Frankfurt und Berlin wurde ergänzt durch Interviews mit Politikern und Zeitzeugen aus den 1980er-Jahren und eine neue Einrahmung durch den Filmemacher. Im Gespräch haben Bockelmann, der als Kind Kennedys Rede auf dem Römerberg miterlebte, und der Historiker Dr. John Provan, der als Kind in einer deutsch-amerikanischen Soldatenfamilie in Deutschland groß wurde, das Gezeigte durch eigene Erinnerungen und Reflexionen ergänzt. Nicht nur die Beziehung zwischen den USA und Europa, die für Kennedys Politik zentral war, sondern auch die Frage der deutschen Teilung kam zum Wort. Dabei wurde auch die Kluft zwischen Kennedys antikommunistischen Haltung und seinem Desinteresse an einer Wiedervereinigung deutlich.
Der Film zeigte sehr plastisch die Euphorie, die Kennedy als ›Lichtgestalt‹ in der deutschen Bevölkerung auslöste, und die schon damals manchen Politikern – auch Adenauer – nicht ganz geheuer war. John Provan ergänzte, dass die Wirkung nicht auf die Deutschen begrenzt war, sondern dass z.B. amerikanische Schüler ihren Aufenthalt in Frankfurt extra verlängerten, um Kennedy vom Straßenrand aus zuzujubeln, als sein Autokorso von Hanau nach Frankfurt fuhr. Noch viel mehr als in Deutschland, so Provan, zähle in den USA das Charisma eines Politikers – viel mehr als jedes Parteiprogramm. Im Rückblick und mit dem zusätzlichen Wissen – im Gespräch fielen die Stichworte Vietnam, Agent Orange – über Kennedy, sieht man diese charismatische Wirkung differenzierter und kritischer. Bockelmann: »Jetzt wäre mir ein Kennedy unheimlich.« Für Provan ist Kennedy aber immer noch einer der drei wichtigsten Präsidenten (neben Lincoln und Reagan). Dass er immer noch eine starke Wirkung als Symbolbild hat – und wie weit Mythos und historische Wahrheit auseinanderklaffen –, machten der Film und die Diskussionsrunde deutlich.
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