Als sogenannter Kriegsenkel liegt für Filmemacher Oliver Kanehl der Schlüssel zum Verständnis des eigenen Lebens auch im Verstehen des Lebens der eigenen Vorfahren. So führt ihn die Suche zu den Ursachen des Nationalsozialismus und Vernichtungskriegs, die in seiner Familie Spuren hinterlassen haben, zu seinem Film „Sprechen Sie Deutsch?“. Darin zeigt Kanehl diverse Orte der Kriegskindheit seines Vaters in Polen und erfährt, was dieser auf seiner Flucht nach Westen 1944-45 erlebt: Abschied und Tod sowie Gewalterfahrung und Heimatverlust.
Mit Spannung sei die Familie nach Polen gefahren, wo er einen Film mit eigener Kamera machen wollte. Motto: Jeder kann einen Film machen. Anschließend sei er mit seinen Eltern regelmäßig über des Vaters Vergangenheit als Kind ins Gespräch gekommen und habe dadurch neuen Kontakt zu ihnen erhalten. „Mein Vater war wieder in der geliebten Heimat, die er seinen beiden Söhnen zeigen wollte“. Das Ganze jedoch aus der Erinnerung eines 1944 Neunjährigen.
Städte, Menschen und Sprache in Polen waren jetzt völlig anders. Wen wundert´s? Nur des Vaters Kindheitsgefühle wurden wieder freigelegt. Kanehl sei mit nach Polen gefahren, um etwas zu erleben, das tiefer geht als ein Interview mit Kamera im Zimmer. Schon dadurch sei das Verhältnis zum Vater intimer geworden. Denn dieser sei immer nüchtern, distanziert und während Kanehls Pubertät „sehr in der Ferne gewesen. Erziehung war Aufgabe der Mutter“. Sie hatte immer wieder die Alpträume über die Zeit seiner Flucht erlebt.
Nochmal, warum jetzt der Film für die Öffentlichkeit? „Um sich mit der Thematik auseinanderzusetzen“. Da gibt es sicher auch andere Kaliber. Immerhin, es war Kamehls erster Dokumentarfilm.
(rh)
Bild:Filmemacher Oliver Kanehl im Gespräch mit Ruth Fühner, naxos.Kino.
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