Rückblick

„Vergiss mein nicht“ – Liebes- statt Krankheitsfilm

Alternde Gesellschaft, zunehmende Demenzkranke. Alzheimer als Horror? Filmemacher Sieveking übernimmt die Betreuung seiner Mutter, die, mit 69 Jahren erkrankt, bereits schwer gedächtnisgestört und verwirrt ist. Sie kommt kaum noch aus dem Bett, ist inkontinent. Früher eher intellektuell, kühl-distanziert, ist sie durch ihre Demenz nun herzlicher und offener geworden und verfügt über einen rührenden Kindercharme. Den Film sieht Regisseur Sieveking deshalb „nicht als Krankheits-, sondern als Liebesfilm“.

Respektvoll geschildert, liebevoll ergriffen, immer neu überrascht über eine sich langsam verändernde Persönlichkeit – so spontane Reaktionen aus dem Publikum. „Mutter fand die Filmerei gar nicht so schlecht und hat immer wieder Verbindung zum Kameramann und Toningenieur aufgebaut“, sagte der Filmemacher. Denn wenig Leute sollten für weniger Irritation seiner Mutter sorgen. Sein Vater sagte später, der Film sei die beste Therapie für Gretel (Margarethe) gewesen.

Wie es möglich sei, eine Person intim zu zeigen, die dazu kein Einverständnis gegeben habe, fragte Ruth Fühner nach. Wichtige Voraussetzung sei gewesen, dass er bereits zuvor mit seiner Mutter im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte gedreht habe und diese daran gewöhnt sei, so Sieveking. Insofern seien auch die früheren Beziehungsebenen seiner Eltern Subthema gewesen: Früher normal und jetzt? Die letzten zwei Jahre habe er aufgrund ihres zunehmenden Kontrollverlusts bewusst ausgelassen, etwa die Zeit im Heim bzw. Krankenhaus. Er bezeichnete diese Phase als „Testballon“. Finanziell sei eine Unterbringung langfristig finanziell nicht möglich gewesen. Darüber habe er sich nur in seinem gleichnamigen Buch geäußert. Sein Vater, der noch in Frankfurt lebt, habe den Film genossen, indem er die Beziehung zu seiner Frau neu entdeckt habe.

Bild: Zu naxos-Moderation Ruth Fühner (Mitte von hinten) war Regisseur David Sieveking zugeschaltet.